2.1.5. Die Karriere-Neurose (auch Beförderungs-Stau-Neurose)

Im Öffentlichen Dienst wird jeder so lange befördert, bis er seinen spezifischen Grad der Unfähigkeit erreicht hat, seinen Dienstposten auszuüben.

Parkinson (sinngemäß)

Anmerkung K.S.,1973, zu vorstehendem Parkinsonschen Gesetz:

In diesem Sinne ist auch Militär öffentliche Dienst. Allerdings gilt hier folgende Sonderregelung:

Nachdem ein im Parkinsonschen Sinne zu Ende beförderter Soldat üblicherweise auf einem Dienstposten sitzt, auf dem er viel Schaden anrichten kann, er aber aus dienstrechtlichen Gründen nicht einfach zu entfernen ist, muss er beschleunigt auf eine Stelle versetzt werden, auf der er ungefährlich ist. Diese Versetzung ist stets mit einer weiteren Beförderung verbunden

Jeder beschäftigte im Öffentlichen Dienst leidet unter dem Zwang, es erreichen zu müssen, wenigstens zwei Untergebene zu haben, die er schikanieren kann. Erreicht er das nicht, wird er magenkrank und muss vorzeitig aus dem Dienst ausscheiden.

Auch Parkinson (sinngemäß)

Ein Unteroffizier (vorher stellt sich die Frage nicht), der die Absicht hat, die Laufbahn des Berufssoldaten einzuschlagen, hat in aller Regel die Aussicht, noch vier mal befördert zu werden. Dann ist er Hauptfeldwebel und hat normalerweise das Beförderungsziel seiner Laufbahngruppe erreicht. Ist er nun ein besonders gefragter Spezialist oder hat er Glück und erwischt im Laufe seiner Zeit einen entsprechenden Dienstposten und freie Haushaltsmittel, so kann er mit einer fünften, hat er eine besonders gute Lobby oder Beziehungen sogar mir einer sechsten Beförderung rechnen.

Setzt man voraus, dass der genannte Unteroffizier bis zu seiner Pensionierung noch dreißig Dienstjahre vor sich hat, so hat er statistisch je nach Glück oder Vitamin B alle fünf bis acht Jahre mit einer Beförderung zu rechnen. Diesem Umstand kann er sich im Prinzip nur durch Selbstmord, das Entwenden von silbernen Löffeln oder das Erbringen des früheren Unfähigkeitsnachweises im Sinne des erstgenannten Parkinsonschen Gesetzes entziehen. (Wobei die dritte Lösung entschieden die schwierigste ist)

In der Laufbahngruppe der Offiziere ist das ähnlich, mit dem unwesentlichen Unterschied, dass denjenigen, denen die Stabsoffiziers- oder Generalstabslaufbahn zugänglich ist, ein paar Beförderungen mehr zugestanden wird. Damit verkürzt sich die Frequenz der Höherdotierung etwas.

Nun ist das mit der Statistik so eine Sache. Es gibt eine Menge von Ursachen, die aus dem Beförderungsrhythmus eine Art Ziehharmonika machen können. Eine der Bremsen in der persönlichen Laufbahnplanung ist vorstehend zweitzitierte Parkinsonsche Gesetzmäßigkeit: Auf dem Dienstposten, den man als nächstes gerne innehaben möchte, lauern immer mehrere, und nicht zuletzt, es sitzt ja schon einer drauf. Und der tut einem um nichts in der Welt den Gefallen, sich zu erschießen oder auf natürliche Art und Weise vorzeitig wegzusterben. Nein, er wartet seinerseits sehnsüchtig auf das Freiwerden seines nächsten Etappenziels und so weiter.....

Selbst sorgfältigste Planungen werden immer wieder durcheinandergebracht durch sogenannte Überflieger, Leuten also, die besondes qualifiziert sind oder wenigstens für besonders qualifiziert gehalten werden. Oder, die schlicht jemand kennen, der in der Lage ist, willkürlich in die kleinen Rädchen der großen Beförderungsmaschinerie einzugreifen.

Nachdem Beförderungen ja immer Geld kosten, und nachdem der Dienstherr davon grundsätzlich zu wenig hat, ist man auf den Trick verfallen, zwischen StAN- (soll) und Haushalts- (ist, weil bezahlbar) Stellen zu differenzieren.

Das Ganze funktioniert nach dem Overbooking-Prinzip der Tourismus-Branche: Man stelle für 100 Pauschaltouristen nur 60 Urlaubsquartiere zur Verfügung, weil 40 erfahrungsgemäß sowieso vom Vertrag zurücktreten. Kommen doch mehr als erwartet, müssen die halt anderweitig (und meistens schlechter) untergebracht werden.

Hat also der Oberfeldwebel nach langer Geduldsprobe seinen Hauptfeldwebeldienstposten ergattert, so bedeutet das noch lange nicht, dass er auch befördert werden kann. Da kann es durchaus sein, dass mit dem Dahinscheiden seines Vorgängers auch die Finanzmittel dahinschieden, um irgendwo anders einem schon länger Darbenden endlich seine Höherdotierung zu ermöglichen.

Einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Beförderungsgeschwindigkeit nimmt das System der dienstlichen Beurteilungen in Anspruch, in dem dazu befugte Vorgesetzte ihren Untergebenen in zweijährigem Rhythmus eine Art von Dienstzeugnis ausstellen. Zwar wird an diesem Beurteilungssystem ständig gefeilt und es soll, so der Anspruch, weitgehend objektiv sein, aber dennoch ist es damit wie mit den Schiedsrichtern auf dem Fußballplatz: Auf Grund von Momentaufnahmen werden Tatsachenentscheidungen gefällt, gegen die es im Grunde kein Rechtsmittel gibt. So entscheidet der beurteilende Vorgesetzte eben doch nach Haar- und Nasenlänge und nach der Frage, inwieweit zwischen ihm und dem Beurteilten die Chemie stimmt. Er ist nicht erlaubt, aber Sätze wie "verspricht bei längerer Dienstzeit ein älterer Soldat zu werden" sind sinngemäße Realität.

Kurz, jedem Berufssoldaten geht es wie dem Autofahrer auf der Urlaubsreise: Er mag ja zeitweise ganz gut vorankommen, aber irgendwann und noch ehe er den Parkplatz seines Laufbahnziels erreicht hat, steckt er unwiderruflich im Stau, im Beförderungsstau.

Feldwebel haben ihren Stau, Ober- und Hauptfeldwebel. Oberleutnante werden von ihm genau so wenig verschont wie Hauptleute und Majore. (Ab Oberstleutnant hört man davon weniger. Das mag daran liegen, dass es davon nicht mehr so schrecklich viele gibt, vermutlich hat die breite Masse schon vorher entnervt aufgegeben.)

Stau geht auf die Nerven!

Er verursacht Neurosen!

Dem kühlen Beobachter wird es leicht fallen, im Vergleich mit den bekannten Verkehrsstau-Neurosen die Beförderungsstauneurosen von Soldaten zu erkennen. Hier einige Beispiele:

Symptom Diagnose
Ein Feldwebel gibt sich betont preußisch-zackig, sein Sprachschatz beschränkt sich im Wesentlichen auf: "Jawoll, Herr Hauptmann" Schwere Stauneurose!

seine letzte Beförderung liegt bereits einundzwanzig Tage zurück. Er hat das dringende Bedürfnis, Oberfeldwebel zu werden.

Ein Oberfeldwebel bricht unvermittelt in Tränen aus Keine Stauneurose!

Irgend wer hat ihm in der Kantine kräftig Pfeffer auf seinen Hamburger gestreut.

Ein Hauptfeldwebel klopft nervös mit den Fingern auf seine Schreibtischplatte. Mittlere Stauneurose!

Sein Onkel, bisher für ihn zuständiger Dezernent bei der Stammdienststelle des Heeres (Anmerkung: Personalführende Dienststelle für Unteroffiziere) ist ins Heeresamt versetzt worden.

Ein Stabsfeldwebel wird wiederholt bei der Arbeit erwischt Schwere Stauneurose!

Er hat erfahren, dass sein Chef über seiner Beurteilung brütet.

Ein Oberstabsfeldwebel kaut an den Fingernägeln Keine Stauneurose!

Seine Frau hat vergessen, ihm die Pausenbrote einzupacken. Und genug Taschengeld, dass er sich ersatzweise was kaufen könnte, bekommt er nicht.

Ein Leutnant (FD) isst zur Nato-Pause neuerdings immer Früchte-Müsli Schwere Stauneurose!

Als er neulich laut über seine Beförderung zum Oberleutnant nachdachte, meinte sein Chef, er solle mal seinem Vogel Futter geben

Ein Major kauft sich ein Toupet Überschwere Stauneurose!

Wegen seiner haarausfallbedingten hohen Stirn hält man ihn für einen Intellektuellen. Das wiederum hält er für karrierehemmend.

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